Es gibt nur noch wenige mittelalterlichen Bauwerke am Erfurter Anger. Eines davon ist der Bartholomäusturm, der fast sechs Jahrhunderte auf dem Buckel bzw. auf der Haube hat. Er ist das Überbleibsel der ehemaligen dem heiligen Bartholomäus geweihten Kirche, die bereits im 12. Jahrhundert hier gestanden haben soll. Der Turm kam im 15. Jahrhundert hinzu, als Glockenturm sollte er den Menschen die Zeit künden.
Gute fünfzig Jahre nach seiner Fertigstellung allerdings kündigte sich eine neue Zeit an. Martin Luther, ehemals Student und Mönch in Erfurt, rief zur Reformation der Kirche auf und fand in Thüringen großes Gehör. Die Erfurter begeisterten sich für seine neuartigen Ideen und Lehren, glaubten sie doch, sich mit dem neuen und direkten Draht zum Allerhöchsten von ihrem unbeliebten Stadtherren, dem Mainzer Erzbischof, befreien zu können. Sie vertrieben die Katholiken aus ihren Kirchen und machten auch vor den Klöstern nicht halt und ordneten die Gemeindekirchen neu zu.
1525 zog die Gemeinde der Bartholomäuskirche in die nahegelegene große Klosterkirche der Barfüßer um und ließ ihres bisheriges Gebetshaus weitestgehend ungenutzt. 1660 zerstörte ein Brand das verwaiste Gottesthaus und weil ein Wiederaufbau nicht lohnenswert schien, trug man seine Mauern in den nächsten sieben Jahren Stück um Stück ab. Weil die Barfüßerkirche jedoch keinen eigenen Glockenturm besaß, ließ man den Turm der Bartholomäuskirche stehen. Seiner Aufgabe, zu jeder Stunde zu läuten, kam der Turm bis 1942 nach, dann wurde ihm die Glocken entnommen und eingeschmolzen, die klangvollen alten Damen wurden an der Front dringend gebraucht.
Jahrzehnte stand er dann menschenleer und von den Tauben der Stadt zum Brüten genutzt, bis ihm 1979 wieder eine klangvolle Aufgabe zuteil wurde. Seither beherbergt er ein Carillon von sechzig Glocken. So wurde er zum singenden Turm von Erfurt. Dreimal täglich können Sie den wechselnden Melodien lauschen.***Fotos: Tina Romstedt