Für unsere germanischen Altvordern gab es nur zwei Jahreszeiten, Sommer und Winter. Wenn die warmen Winde des Südens und Nordens die Schneedecke erweicht und weggeschmolzen hatten, und die Sonnenstrahlen der Mutter Erde neues Leben erweckten, da war der Sieg des Sommers über den Winter besiegelt. Als der Tag aber, an dem diese Wende des Jahres zum Lichteren, Besseren, Schöneren eintrat, galt der 1. Mai, im christlichen Kalender der heiligen Walpurgis geweiht.
Der letzte Kampf der geheimnisvollen Naturmächte fand deswegen nach dem Glauben der Alten in der Nacht zum Walpurgistage auf dem höchsten Berge der altgermanischen Stammlande statt, auf dem Brocken, der auch den Namen Blocksberg führte.
Wenn die Frühlingsstürme über die Wipfel des Steigerwaldes in das Geratal brausten oder gar ein Gewitter mit Sturm und Regen, Blitz und Donner über die Lande zog, dann reiste nach dem Glauben unserer Vorfahren das wilde Heer der ehemaligen Götter und Göttinnen in Tier- und Hexengestalt nach Norden, nach dem Blocksberg, um sich dort in der letzten Nacht noch einmal auszutoben. Auf Stallbesen und Ofengabeln ritten die Hexen dahin. Da man fürchtete, die bösen Geister möchten sich hier und da niederlassen, um Schaden zu tun, machte man an die Türen der Häuser und Ställe drei Kreuze. Um sie zu verscheuchen, trommelte und lärmte und schoss man in der ganzen Walpurgisnacht bis zum Hahnenschrei. Mit dem erwachenden Maienmorgen war der Spuk vorbei.
Die Lärmsitte wurde später nicht mehr verstanden, aber doch noch lange geübt, indem in der Morgenfrühe des Walpurgistages die Trommler und Pfeifer der Bürgerwehr vor den Häusern wohlhabender Einwohner gegen Geschenke und Entgelt ihre Ständchenmusik aufführten.
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Überlieferungen gefunden in:
Schulrat Dr. Kürsten/ Rektor Leineweber (Hrsg.): O du Heimatflur. Eine Heimatkunde der Stadt Erfurt in Einzelschriften. Heft 1. Erfurter Sagen, Kenser´sche Buchhandlung Erfurt (ca. 1940)
Bild: Blocksberg von Johannes Praetorius 1668