Die Alte Synagoge in der Waagegasse zählt wohl zu den ältesten Zeugnissen jüdischen Lebens in Erfurt. Als im Jahre 1998 die Stadt den Bau erwarb und mit umfassenden Restaurierungs-arbeiten begann, ahnte keiner, was sich unter einem Kellergang zwischen Synagoge und einem Nachbarhaus befand. Der Fund des wohl Qualitativ und Quantitativ besterhaltenen jüdischen Schatzes wurde in der ganzen Welt verkündet und ist heute im Keller der museal genutzten Synagoge zu besichtigen. Vorher gab es Ausstellungen in London, Paris und New York. Und mit der historischen Aufarbeitung zur Baugeschichte konnte das Quartier rund um die Krämerbrücke und Michaelisstraße als jüdische Gemeinde rekonstruiert werden.
Seither hatte man gerätselt, wo wohl im mittelalterlichen Erfurt die Mikwe, also das rituelle jüdische Tauchbad gestanden habe. Als im Jahre 2007 hinter der Krämerbrücke Grabungsarbeiten stattfanden, wurden dann die Überreste der mittelalterlichen Mikwe entdeckt.
Die Mikwe (hebräisch für „zusammenfließen") ist aus dem Leben gläubiger Juden nicht wegzudenken. Das rituelle Tauchbad dient der Reinigung durch Tevila (hebr.), dem Eintauchen des gesamten Körpers in reines, fließendes, „lebendes" Wasser. Hieraus erklärt sich auch der Standort der Mikwe am Grundwasserspiegel der Gera.
Als rituell unrein, im Gegensatz zu hygienischer Unreinheit, zählen Menschen, die mit Toten oder Körperflüssigkeiten wie Blut in Berührung gekommen waren. Damals besuchten Frauen auch nach ihrer Menstruation oder Niederkunft die Mikwe. Denn erst wenn sie die Tevila vollzogen hatten, durften sie das Bett wieder mit ihrem Mann teilen. Gekaschert, also rituell gesäubert wurde in früheren Zeiten auch das Geschirr vor dem ersten Gebrauch.
Das Gebiet um die Krämerbrücke war im Mittelalter eng bebaut und das Tauchbad befand sich in einem Wohnhaus. Nach den Bergungsarbeiten der Mikwe wurde ein Schutzbau mit einem verspiegelten Fenster um die Reste des Tauchbades errichtet. Durch das Sichtglas kann die Mikwe von oben eingesehen werden. Genutzt wird sie nur noch für museale Führungen, denn die heutigen Mikwaot sind beheizte Badestuben. Nicht gänzlich zerstört aber schwer beschädigt wurde die Erfurter Mikwe während des Pogroms von 1349, in dem auch der Besitzer des 1998 gehobenen Schatzes starb.
Doch einiges zwingt Historiker und Judaisten zu rätseln. Denn 2010 wurde eine kleine Plastik, die einen jungen Mann ohne Bart mit Lilienkrone zeigt, gefunden. Sie wurde kopfüber in einen Steinblock eingemauert. Welchen Zweck oder Sinn diese Figur zeigt, bleibt den Forschern bis heute verschlossen. Und auch die großen Sandsteinblöcke, die zum Bau der Mikwe verwendet wurden sind sehr mystisch, denn ihre Herkunft ist bis Dato unbekannt.
Die Mikwe war lange verschollen. Doch kam man ihr auf den Grund. Und vielleicht müssen noch einige Jahre vergehen, bis sich auch die letzten Rätsel dieses Fundes lösen lassen.
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Fotos: A. Huber-Kemmesies